Unter Claudicatio spinalis versteht man die Einschränkung der Gehleistung aufgrund von Einengungen der neurogenen Strukturen an der Wirbelsäule. Eine Sportausübung wird dadurch naturgemäß gestört, wobei hier unterschiedliche Sportarten differenziert werden sollten.
Das Bergaufgehen, zum Beispiel im Sinne von Bergwanderungen oder Trekking, ist sehr wohl möglich, das Bergabgehen jedoch problematisch (Empfehlung: auf Berge gehen, bei denen man per Lift wieder ins Tal kommt – diese Vorsichtsmaßnahme hilft dem Betroffenen zum Erhalt der subjektiven Lebensqualität). Gleiches gilt, wenn Rückenschwimmen leicht und gut ausgeübt werden kann, es jedoch zu Problemen beim Brustschwimmen kommt. (Beim Rückenschwimmen wird, um zu atmen, in der LWS entlordosiert, beim Brustschwimmen wird die Lordose noch verstärkt.) Radfahren ist im Normalfall recht gut möglich, Gleiches gilt für Skifahren. Probleme gibt es beispielsweise bei Nordic Walking bzw. auch beim Golfspielen, wo oft nur wenige Löcher gespielt werden können. Die Unterschiede liegen darin, dass es bei leichtem Vornüberbeugen, sprich beim Entlordosieren der Lendenwirbelsäule, zu einem Erweitern der Neuroforamina bzw. des Spinalkanals kommt. Durch diese Entlastung der neurogenen Strukturen sind vor allem bei leichten Einengungen vermehrte Belastungen möglich.
Klinik
Wie eingangs erwähnt, kommt es anfangs zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit im Sport, wobei vor allem die Kraftminderung in den unteren Extremitäten auffällt. In weiterer Folge bemerkt der Betroffene eine Verkürzung der Gehstrecke, was oft einer Verschlechterung der eigenen Kondition angelastet wird. Es können auch sensomotorische Störungen auftreten, wobei zu betonen ist, dass die typische Seitendifferenz, wie sie bei einem Diskusprolaps oder einseitigen Foramenstenosen beobachtet wird (z.B. mit einer Fußheberparese oder eine Quadrizepsschwäche) bei der Claudicatio spinalis die Ausnahme bildet.

Abb. 1 MRT-mit-Perlenkettenphänomen-bei-lumbaler-Spinalkanalstenose-MRT-Myelographie
Es liegen meist seitengleiche Abschwächungen der betroffenen Muskulatur vor, die von den Patienten anfangs gar nicht wahrgenommen respektive als nicht störend empfunden werden, da sie noch kompensiert werden können (auch der Untersucher muss genau darauf achten, um sie zu „entdecken“). Mit der Zeit gewöhnen sich die Betroffenen daran und stellen sich im täglichen Leben darauf ein. Der Aktionsradius wird aber mit der Zeit immer stärker eingeschränkt. Tennis wird gar nicht mehr oder nur mehr im Doppel gespielt. Die Körperhaltung wird schlechter – eine Kyphose und eine degenerative Skoliose bis hin zum Verlust der Sitzfähigkeit können die Folge sein.
Diese Faktoren erfordern es, vor der Therapie eine genaue Untersuchung durchzuführen. Am aussagekräftigsten ist die Anamnese, denn der Patient trägt mit seinen Worten hilfreich dazu bei, die Diagnose zu stellen. Die Reflexe durchgehen eine Art Agonie. Anfangs ist eine Normreflexie gegeben, danach kommt es zu einer sehr ausgeprägten Hyperreflexie. Diese wird von einer Areflexie abgelöst, die auch unter bestmöglicher Behandlung verbleibt. Bei Männern kann eine erektile Dysfunktion bis hin zu einer voll ausgeprägten Impotenz entstehen. Diese kann auch mit neueren Medikamenten – wie z.B. Viagra oder Cialis – nur bedingt bis gar nicht behandelbar sein. In den meisten Fällen sind die Fußpulse tastbar. Es muss aber bedacht werden, dass in ca. 20–30% der Fälle gleichzeitig eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) und eine Claudicatio spinalis vorliegen.
Bildgebung
Schon das Nativröntgen kann (durch dorsale spondylophytäre Ausziehungen und knöcherne Neuroforameneinengungen) die Verdachtsdiagnose ergeben. Wichtig sind hier auch – vor allem für die weitere Therapie – Funktionsaufnahmen. Ebenso empfiehlt sich ein Beckenübersichtsröntgen (eine Hüftproblematik kann mitunter die Ursache für Wirbelsäulenpathologien sein oder diese verstärken).
Der Goldstandard wird durch das MRT der LWS markiert. Hier sind sowohl die neurogenen Einengungen als auch entsprechend weitere Pathologien wie Synovialiszysten, Bandscheibenvorfälle, Discopathien, Modiczeichen, Osteochondrosen, Nervenwurzelschwellungen oder weiter kranial sogar Myelopathien erkennbar.
Therapie
In der konservativen Therapie liegt das Augenmerk auf dem Erlernen von endlordosierenden Stabilisierungsübungen. Diese können mit Wurzelblockaden oder auch Caudablockaden unterstützt werden. Passive Maßnahmen (Massage, Moor, Elektrotherapie …) sind hilfreich, um den Muskelhartspann und Verkrampfungen zu lösen. So werden Schmerzen und Symptome schneller reduziert und Stabilisierungsübungen können früher umgesetzt werden. Bei zunehmenden Beschwerden empfiehlt sich die Operation, da ein mechanisches Problem letztlich auch nur mechanisch behebbar ist. Hier geht es vor allem um eine Dekompression der eingeengten neurogenen Strukturen. Dies muss entsprechend dem Ausmaß des zu entfernenden Knochens, beim Vorliegen von Instabilitäten wie z.B. einem Wirbelgleiten oder auch z.B. einer gegebenen Spondylolyse mit einer Fusion kombiniert werden. Neuere Techniken wie intraspinöse Spacer, die segmental den Druck von den neurogenen Strukturen nehmen sollen, können hier Anwendung finden und sind bei genauer Indikationsstellung durchaus von großer Hilfe.

a) Coflex a/p+seitl. (interspinöser Spacer); b) Funktionsaufnahmen
1.) Flavektomie, Laminotomie, Foraminotomie – bei Fällen, in denen es zu neurogenen Einengungen, vor allem lateral in Richtung Foramen kommt. Hier zeigen eigene Untersuchungen nach durchschnittlich drei Jahren, dass präoperativ 80% der Patienten eine Gehstrecke von unter 200 Metern hatten. Bei wiederum 80% hatte sich diese nach drei Jahren auf 000 und mehr Meter erhöht. Die visuelle analoge Schmerzskala (VAS) konnte von acht auf drei reduziert werden. Der Vorteil dieser Technik ist, dass vom Knochen nur pathogen vermehrter Knochen (Spondylophyten) entfernt werden muss; zusätzlich wird das Ligamentum flavum entfernt. Dieses hat sich aufgrund der Bandscheibenerniedrigung wie bei einer geschlossenen Ziehharmonika in den Spinalkanal gewölbt. Es folgt die Foraminotomie, die jeweils auch von der kontralateralen Seite durchgeführt werden kann. Vorteil der beschriebenen Methode ist, dass keine zusätzlichen Instabilitäten iatrogen verursacht werden. Außerdem ist zu einem späteren Zeitpunkt eine Fusion immer noch möglich.
2.a) Der erstgenannte Eingriff kann in geeigneten Fällen zusätzlich noch mit intraspinösen Spacern kombiniert werden.
2.b) Alleiniges Einbringen von intraspinösen Spacern: Dies ist nur bei ganz leichten Neuroforameneinengungen und segmentalen Instabilitäten sinnvoll. Z.B. bei L 4–5, wenn der Patient vor allem beim Aufrichten, beim Stehen und Bergabgehen immer wieder leichte Beschwerden hat und auch über beginnende Instabilitätsschmerzen klagt. In diesen Fällen sind diese auch sehr oft segmentbezogen zuordenbar – im Sinne einer Dermatompathologie.
3.) Ausgiebige neurogene Dekompression: Patienten, die diese Operation brauchen, haben oft auch Kreuzschmerzen bzw. Schmerzen aus den Facettengelenken. In diesen Fällen empfiehlt sich die Laminektomie mit Facettektomie, um die schmerzverursachenden Gelenke zu entfernen. In diesen Fällen sollte unbedingt auch die Fusion des entsprechenden Segmentes erfolgen.

a) Laminektomie + dors. Spondylodese + PLIF (USS I; Plivios Revo lution
PEEK Cage); b) Fusion L3-5, semirigid L2-3 (Scient‘x Isobar, Plivios Revolution)
Ergebnisse
Bei stadiengerechter Behandlung erscheinen gute und sehr gute Ergebnisse in einem Großteil der Fälle möglich. Eine sportliche Wiederbetätigung ist aus unserer Sicht in den meisten Fällen erreichbar. Jene Sportarten, die präoperativ noch unter Schmerzen möglich waren, sollten postoperativ nach einer entsprechenden Rekonvaleszenzzeit mit weniger Schmerzen bzw. mit Schmerzmedikamenten möglich sein. Prinzipiell sollten nur mehr Sportarten ausgeübt werden, die schon vor der Operation gut beherrscht wurden. Zusätzlich empfiehlt sich je nach Sportart ein gezielter Wiederbeginn mit Trainer und Arzt (z.B. dem fachkundigen Sportorthopäden). Ziel der Operation sollte eine Verbesserung der Lebensqualität von möglichst langer Dauer sein.