Erwachsenenplattfuß – Diagnose & Therapie

Von Gerd M. Ivanic, Hans-Jörg Trnka

In letzter Zeit fällt zunehmend eine vermehrte – zumeist einseitige – Plattfußstellung von Erwachsenen über 50 Jahre auf. Die zugrunde liegende Pathophysiologie konnte dabei erst in den letzten Jahren genauer definiert werden. Es kommt bei diesen Patienten zu einem Einsinken des Längsgewölbes, was bis zur X-Beinstellung im Bereich des Rückfußes führen kann. Bei verstärkter Ausbildung können Schmerzen im Bereich von Fußinnen- und -Außenrand (unter dem Wadenbein) auftreten. Ein Fortschreiten des Prozesses bis zum Verlust der Gehfähigkeit ist möglich.

Diagnose

Das Problem fällt vor allem in der Ansicht von hinten am stärksten auf. Es kommt zu einem „Nach-Innen-Kippen“ des Rückfußes (Rückfußvalgus). Das Längsgewölbe ist abgeflacht und der ganze Fuß berührt den Boden. Des Weiteren bekommt man in der Ansicht von hinten (fast) alle Zehen außen zu sehen, was einem sog. „Too many toes sign“ (das Zeichen von zu vielen Zehen) von hinten entspricht. Zudem kann der Patient nur schwer in den Zehenspitzenstand gehen – dabei fehlt die Varisation (= „NachInnen-Drehen“ der Ferse).

Abb. Fehlendes Längsgewölbe beim Plattfuß im Stehen

Fehlendes Längsgewölbe beim Plattfuß im Stehen

Im Liegen ist eine fehlende Inversion (= „Nach-Innen-Drücken“ des Fußes) zu erkennen. Diese fehlenden Funktionen und der Plattfuß sind durch eine Dysfunktion der Sehne des M. tibialis posterior bedingt. Dieser ist der wichtigste Muskel in der Stabilisierung des Längsgewölbes. Wenn er auf Grund verschiedener Umstände lädiert ist, kommt es zur Ausbildung eines Erwachsenen-Plattfußes, dessen Erscheinungsbild je nach Ausprägung in vier Stadien eingeteilt wird. Zentrale Bedeutung in der Diagnose kommt der klinischen Untersuchung – primär ergänzt durch ein Fußröntgen im Stehen in zwei Ebenen – zu. In weiterer Folge sind seitens der Bildgebung Sonografie und MRT sinnvoll.

Abb. Fehlendes Längsgewölbe beim Plattfuß im Stehen, was auch im Röntgenbild gut zu erkennen ist

Fehlendes Längsgewölbe beim Plattfuß im Stehen, was auch im Röntgenbild gut zu erkennen ist

Im Management dieser Erkrankung sollte die Ursachensuche nicht vergessen werden. So kann eine vermehrte Sportausübung mit neuen Schuhen (die eine Hyperpronation – also ein häufiges Einknicken des Rückfußes beim Auftreten nach innen – zulassen) oder die Arbeit mit schlechtem Schuhwerk (z.B. Gummistiefel geben dem Fuß wenig Halt) zur Entwicklung eines Erwachsenenplattfußes führen bzw. beitragen.

Verlauf der Krankheit

Werden nicht verschiedene Behandlungsmaßnahmen bei Auftreten des so genannten erworbenen Plattfußes durchgeführt, kommt es zu einer immer stärkeren Ausprägung desselbigen. Dies kann bis zu einer Fehlstellung im Bereich des oberen Sprunggelenkes führen. Meistens kommen die Patienten im Stadium I-II in die Ordinationen oder Ambulanzen. Hier fällt bereits eine X-Stellung im Bereich der Sprunggelenke und eben das „Zu viele Zehen“-Zeichen auf. Des Weiteren ist im Zehenspitzenstand meistens schon eine fehlende Varisation der Ferse gegeben.

Zu Beginn ist diese Fehlstellung noch nicht so ausgeprägt – hier kommt es vielmehr zu Schmerzen unter dem Innenknöchel. Es ist eine Schwellung der Sehnenscheide des M. tibialis posterior im Rahmen einer Tendovaginitis zu sehen und zu ertasten. Bei bestehendem Rückfußvalgus können durch Einengung der Weichteile auch Schmerzen unter dem Außenknöchel auftreten. Nachfolgend soll auf die Behandlung in den Stadien I und II eingegangen werden.

Therapie

Das Stadium I ist vor allem mit einer Schwellung im Bereich der Sehne unter dem Innenknöchel vergesellschaftet. Hier ist primär die konservative Therapie mit lokalen Maßnahmen wie Speisetopfenkühlung und dergleichen indiziert. Auf jeden Fall sollte anfänglich eine Ruhigstellung erfolgen und für etwa 3 Monate eingehalten werden. Dabei sollte in den ersten 6 Wochen ein Unterschenkelgips oder Unterschenkelwalker ohne Belastung verwendet werden. Der Walker hat den Vorteil, dass lokale Maßnahmen wie Speisetopfen, Lymphdrainagen und dergleichen möglich sind.

Mittels gleichzeitig durchzuführender Sonographie oder MRT lassen sich bis zu einem gewissen Grad Aussagen über den Verlauf bzw. die Sehnenpathologie machen. Nach dieser Zeitspanne vollkommener Entlastung sollte der Gips oder Walker für nochmalige 6 Wochen weiterverwendet werden. Dabei ist nun eine zunehmende Belastung möglich. Im Anschluss daran – also nach 3 Monaten – ist die Verwendung einer U-förmigen Sprunggelenksorthese möglich.

Darüber hinaus sollte ab diesem Zeitpunkt eine suffiziente Einlagenversorgung durchgeführt werden, welche einen guten Längsgewölbeausgleich mit dem höchsten Punkt unter dem Sustentaculum tali (= unter dem Fersenbein) gewährleisten kann (CarboPlus Einlagen®, Fa. OFA-Rathge-ber). Des Weiteren ist die Verwendung eines gut den Fuß umfassenden Schuhwerks anzuraten – dieses sollte vor allem bei stärkeren Belastungen das Einsinken des Rückfußes nach innen (Hyperpronation) verhindern. Dabei kann der Fuß wieder Vollbelastungen ausgesetzt werden. Eine anfängliche regelmäßige Kontrolle der Patienten ist zweckdienlich – dabei muss immer bedacht werden, dass auch die zweite Seite in Gefahr ist. Daher werden die orthopädietechnischen Maßnahmen nach dem 3. Monat immer für beide Füße empfohlen.

Führen diese konservativen Maßnahmen zu keiner Verbesserung der Beschwerden, kann eine Operation notwendig werden. Hier kommt die Revision der Sehne des M. tibialis posterior in Frage sowie allenfalls bei bereits bestehenden X-Stellungen im Rückfuß auch die Fersenbeinverschiebung nach innen (Calcaneus-osteotomie).

In Stadium II ist zwar bereits eine verstärkte X-Fußstellung gegeben, diese aber noch nicht fixiert – der Fuß lässt sich passiv in die normale Position bewegen. Hier sollte die Operation erfolgen. Diese sieht – wie vorhin beschrieben – eine Sehnenrevision vor. Ist die Sehne stark aufgetrieben oder sogar bereits gerissen, so empfiehlt sich ein Sehnentransfer. Dabei wird die Sehne des M. flexor digitorum longus (FDL) – also des Beugers der 2.–5. Zehe – verwendet, um die Funktion des M. tibialis posterior zu ersetzen. Des Weiteren muss auch hier eine Nach-Innen-Verschiebung des Fersenbeines durchgeführt werden, um die Biomechanik des Fußes wieder herzustellen. So kann der Rückfuß wieder unter das Bein gestellt werden, damit die Kraft in das Lot des Beines zurückkehrt bzw. die Achillessehne den Fuß wieder in der Mitte bewegt und nicht durch die X-Stellung im Rückfuß die Ferse nach außen zieht.

Nach dieser Operation ist ein Gips für 6 Wochen ohne Belastung notwendig, danach kann je nach Ausgangssituation der Gips abgenommen werden oder noch für weitere 6 Wochen sinnvoll sein. Alternativ zum Gips kann ein Unterschenkelwalker verwendet werden, um den Fuß in Position zu halten. Dessen Vorteil liegt in der Ermöglichung einer gleichzeitigen Physiotherapie (z.B. Lymphdrainagen). Eine zunehmende Belastung ist möglich – Vollbelastung sollte 3 Monate nach Operation erreicht werden. Lymphdrainagen und Einzelheilgymnastik mit Bewegungsübungen sind empfehlenswert und hilfreich. Nach 3 Monaten ist wieder eine orthopädietechnische Versorgung mit Einlagen, zugerichteten Schuhen oder in Spezialfällen, welche jedoch die Ausnahme bilden, auch mit orthopädischen Maßschuhen sinnvoll.

Zusammenfassung

Es handelt sich beim Erwachsenenplattfuß (= erworbener Plattfuß) um eine für Patienten sehr unangenehme Erkrankung, da sie bis zum Verlust der Gehfähigkeit führen kann. Wichtig sind daher frühzeitige Erkennung und rasche Therapieeinleitung – letztere kann für die Betroffenen sehr gute Erfolge bringen.

 

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