Hallux rigidus – Arthrose im großen Zehen

Von Gerd M. Ivanic

Unter Hallux rigidus wird die Arthrose im Großzehengrundgelenk (GZGG = Metatarsophalangealgelenk I = MTP-I-Gelenk) verstanden.

Wie bei jeder Arthrose versucht der Körper den Druck auf eine größere Fläche zu verteilen, weshalb vor allem dorsal des ersten Metatarsalköpfchens typische osteophytäre Ausziehungen entstehen. Diese „Pseudoexostosen“ führen zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung in der Dorsalextension und zu einem Schuhkonflikt. Durch den steten Schuhdruck kommt es zu Schmerzen und rezidivierenden Entzündungen mit Bursitiden. Diese Schmerzen werden meist schon vor den typischen Arthroseschmerzen des Gelenkes wahrgenommen. In weiterer Folge kommt es zu einem pathologischen Gangbild, weil aufgrund der Schmerzen nicht mehr über das GZGG abgerollt wird. Dies kann zusätzlich zu weiterführenden Pathologien wie etwa Metatarsalgien führen.

Röntgen Hallux rigidus

Hallux rigidus

Ursache

Männer leiden öfter an einem Hallux rigidus als Frauen, die ihrerseits wiederum eher an einem Hallux valgus erkranken. Zu den generellen Ursachen jeder Arthrose – zu große Belastung für das Gelenk oder zu schwaches Gelenk für die Belastung – gesellen sich gerade bei der Arthrose des GZGG die Schuhe hinzu. Die Schuhmode hat vor allem bei Sportlern einen nachvollziehbaren Einfluss. So tragen etwa Fußballer bzw. Radfahrer sehr enge und zu kleine Schuhe, um den Ball besser fühlen zu können bzw. um keine Kraft bei der Übertragung vom Fuß zum Pedal zu verlieren. Durch einen zu kleinen Schuh kommt es in der Folge aber auch zu einer Druckverstärkung im GZGG, was die Arthroseentstehung weiter fördert.

Therapie

Die konservative Behandlung hat in erster Linie eine Schmerzreduktion beim Abrollen zum Ziel. In der akuten Phase empfehlen sich die üblichen Maßnahmen der Arthrosebehandlung wie NSAR-Gabe oder Kryotherapie bzw. kühle Speisetopfenumschlägen etc. Chirurgisch gilt es, einen stadiengerechten Mehrstufenplan – von gelenkerhaltenden Eingriffen bis hin zur Versteifungsoperation – anzubieten.

Wirkungsweise der Orthopädietechnik (OT)

Aufgabe einer orthopädietechnischen Versorgung ist es, den Schmerz im Großzehengrundgelenk zu minimieren und ein normales Gangbild zu ermöglichen. In weiterer Folge sollte versucht werden, die Probleme des Schuhkonfliktes zum Beispiel durch Tragen entsprechenden Schuhwerkes zu reduzieren. Durch Verwendung einer Abrollhilfe mit entsprechender Sohlenversteifung soll das Abrollen über das Großzehengrundgelenk ermöglicht werden. Zusätzlich ermöglicht eine Rolle eine Druckverteilung, um schmerzhafte Druckspitzen zu vermeiden. Es gibt drei Möglichkeiten, eine derartige Abrollhilfe zu bauen:

1.) Anbringung an der Schuhaußenseite im Sinne einer aufgebrachten Sohle
2.) Einbau in die Schuhsohle (zwischen Lauf-sohle und Schuh)
3.) In Form einer Einlage, was den Vorteil besitzt, dass mehrere Schuhe zu einem „zugerichteten Schuh“ werden. Dies fördert die Compliance der Patienten.

Generell ist bei alleinigem Hallux rigidus eine Einlagenversorgung bzw. eine orthopädisch zugerichtete Schuhversorgung ausreichend. Ein orthopädischer Maßschuh sollte hier eine Ausnahme sein und nur in wirklichen Problemfällen oder bei Vergesellschaftung mit anderen Problemen bzw. Pathologien verordnet werden.

Alternative Möglichkeiten

Als Alternative bietet sich die Verwendung von Holz-Clogs an, die aufgrund ihrer Sohlenform ein mehr oder minder schmerzfreies Abrollen bei Hallux rigidus ermöglichen. Auch Schuhe mit harter Sohle, welche eingegangen sind bzw. eine leichte Abrundung haben, helfen bereits, die Beschwerden zu minimieren.

Der orthopädisch zugerichtete Schuh

Die Schuhrolle: Entsprechend der Diagnose gibt es vor allem drei Arten von Rollen: die Zehenrolle, die Ballenrolle und die Mittelfußrolle. Dabei sollte bedacht werden, dass derartige Rollen zusätzliche Auswirkungen (positive wie negative) auf den restlichen Bewegungsapparat haben.

Zehenrolle: Erhöhter Kraftaufwand beim Gehen, Schrittverlängerung, Extension im Kniegelenk (von Vorteil bei Beugekontraktur oder bei Muskelschwächen verschiedener Genese zur Standsicherung), bei Negativabsatz das Gefühl des Bergaufgehens.

Ballenrolle: Ballenentlastung mit Verkleinerung des Abrollbereiches, zeitliche Verkürzung des Abrollens, beim Hallux rigidus sollte sich der Rollenscheitel unter dem Metatarsalköpfchen I befinden (sonst ist der Scheitel eher distal davon).

Mittelfußrolle: Rollenscheitel unter dem Mittelfuß, Verkürzung der Schrittlänge, entlastet Chopart-, Lisfranc-Gelenk und oberes Sprunggelenk, führt aber zu einer Knieinstabilität sowie zu einer leichten Gang- bzw. Standunsicherheit. Eine zusätzliche Einlagenversorgung im Schuh mit entsprechenden Adaptationen ist in den meisten Fällen sinnvoll.

Einlagen: Hier empfehlen sich generell langsohlige Einlagen. In leichten Fällen kann schon eine starke Lederdecke über der Einlage, welche bis an die Zehenspitzen reicht, eine Beschwerdenlinderung bringen. In den meisten Fällen empfehlen sich hier Einlagen, welche Versteifungselemente im Vorfuß-/ Mittelfußbereich eingebaut haben. Die Rigidusfeder in ihrer ursprünglichen Form ist auf Grund der – zum Teil fertigungstechnischen – Probleme als obsolet anzusehen. Eine sinnvolle Variante stellt die CarboPlus®-Einlage (Ofa-Rathgeber; verordenbar über den Bandagisten und Orthopädieschuhmacher) dar. Sie hat eine elastische Versteifung aus Carbon eingebaut – dieser Carbonteil ist tropfenförmig gearbeitet, wobei der schmale Teil unter dem Mittelfuß, der breite unter den Metatarsophalangeal-Gelenken zu liegen kommt, um so den Druck zu verteilen und eine normale Schrittabwicklung zu ermöglichen.

Zusätzlich ist dieser Teil in Wellenform vorgearbeitet, so dass ein Abrollen erleichtert und unterstützt wird. Es wirkt so der distale Anteil der Einlage wie eine elastische Versteifung, der proximale Korkteil sichert eine gute Fersenfassung mit der Möglichkeit zur Längsgewölbeunterstützung mit lateralem Gegenhalt. Hinsichtlich Deckung zum Fuß hin sind je nach Indikation unterschiedlichste Materialien möglich. Der Vorteil einer derartigen Einlage ist die Verwendungsmöglichkeit in verschiedenen Schuhen, was die Compliance der Patienten erhöht.

Operation

Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, die sich am Zustand des Gelenkes und der Schmerzsymptomatik orientieren. Bei noch erhaltenem Gelenksspalt, aber großem dorsalen Osteophyten, der vor allem die Dorsalextension einschränkt, empfiehlt sich die Cheilektomie.

Bei vollkommen aufgebrauchtem Gelenksspalt mit ausgeprägtem intraartikulärem Schmerz und/oder Fehlstellung (z.B. Hallux valgus) stellt die Fusion des MTP-I-Gelenkes die Methode der Wahl dar. Dadurch verbleibt ein kraftvolles Gehen mit Abrollmöglichkeit über das nun versteifte Gelenk. Das IP-Gelenk verbleibt beweglich und die Großzehe sollte so eingestellt sein, dass sie leicht dorsalextendiert steht und die Zehenspitze über das bewegliche IP-Gelenk noch den Boden berühren kann. Dadurch kann auch den verschiedenen Schuhmoden Rechnung getragen werden und eine Sportausübung ist gut möglich (als Beispiele sind hier Andreas Herzog oder Toni Ehmann zu nennen, die nach einer derartigen Operation noch im Fußball-Nationalteam spielten).

Eine halbherzige Methode, die eigentlich Ausnahmefällen vorbehalten sein sollte, stellt die „alte“ Keller-Brandes-Operation dar, bei der ca. ein Drittel der Basis der Grundphalanx entfernt wird. Dadurch wird die Beweglichkeit im MTP-I-Gelenk verbessert und die Schmerzen werden reduziert. Erkauft wird dies aber mit einer Verkürzung des ersten Strahles, einer Abschwächung des Abstoßverhaltens beim Gehen, eventuell einer Transfermetatarsalgie und einer oft eingeschränkten „Haltedauer“ des Eingriffes mit der Notwendigkeit eines neuerlichen Eingriffes nach rund 8-10 Jahren. Der Einbau von Spacern – intermittierend (muss wieder ausgebaut werden) oder auch auf Dauer – wird sehr kontroversiell diskutiert. Analog zu Endoprothesen fehlt es hier noch an positiven Langzeitergebnissen. Daraus ergibt sich bei fortgeschrittener Arthrose, dass gerade bei hohem Anspruch die Versteifung am besten die Patientenwünsche trifft.

Cheilektomie: Bei dieser Operation muss das Hauptproblem in der Bewegungseinschränkung nach dorsal liegen. Der Arthrosetypische artikuläre Bewegungsschmerz darf nicht vorhanden sein. Bei der Cheilektomie werden die Osteophyten entfernt und die Sesambeine mobilisiert. Wichtig ist, bei der Entfernung des dorsalen Osteophyten zusätzlich noch bis zu einem Drittel der dorsalen Gelenksfläche mit zu entfernen. Intraoperativ sollte man eine Dorsalextension von ca. 70° erzielen. Ist dies nicht möglich, empfiehlt sich zusätzlich noch die Durchführung einer Moberg-Osteotomie (Entfernung eines dorsalen Keiles der Grundphalanx).

Bei der Aufklärung über diese Operation muss dem Patienten unbedingt vermittelt werden, dass es sich um einen „Palliativ-Eingriff“ handelt. Es wird hier rein symptomatisch die schmerzerzeugende Bewegungseinschränkung behandelt. Die Arthrose bleibt bestehen und wird bei fortschreitender Gelenksdestruktion früher oder später einer weiteren Behandlung bedürfen. Postoperativ wird ein Verbandschuh zur Wundheilung verwendet, eine zusätzliche Entlastung ist nicht nötig. Vielmehr ist hier die Belastungsgrenze gleich der Schmerzgrenze – Bewegung und Belastung sind also bis zur Schmerzgrenze erlaubt. Vom ersten postoperativen Tag an sollen passive und aktive Bewegungsübungen durchgeführt werden, um die operativ erzielte Beweglichkeit auch zu erhalten.

Fusion: Bei stärkeren Schmerzen, zunehmender Arthrose, bei Belastungsanspruch (Spazieren, Wandern, Sport…) und gerade auch bei jüngeren Patienten empfiehlt sich die Versteifung des Großzehengrundgelenkes. Es wird hier der Restknorpel entfernt und die subchondral durchblutete Region freigelegt, wobei die Konvexität und Konkavität der Grundphalanx erhalten bleiben. Dadurch kann die Großzehe bei gutem knöchernen Kontakt ideal eingestellt werden (geringe Valgusstellung, vermehrte Dorsalextension, wobei bei Beugung im IP-Gelenk der Großzehe der Boden mit der Zehenspitze noch berührt werden sollte).

Röntgen Fusion mit gekreuzten Lochschrauben

Fusion mit gekreuzten Lochschrauben

Die Fixation erfolgt z.B. mit gekreuzten Schrauben oder speziellen Platten. Postoperativ erfolgt eine Entlastung mit speziellen post-OP-Schuhen, Unterschenkelgips oder -Walkern für rund sechs Wochen. Danach empfehlen sich CarboPlus®-Einlagen oder zugerichtete Schuhe, wobei die spätere Mobilisation auch ohne orthopädietechnische Maßnahmen möglich sein sollte. Gerade bei Rheumatikern, wo der stabile erste Strahl eine lebenslange Mobilität des Fußes fast garantiert, ist die MTP-I-Fusion bei entsprechender Pathologie für die Betroffenen eine „Wohltat“.

Prothetik: Die endoprothetische Versorgung des GZGG wird schon seit vielen Jahren versucht – ein durchschlagender Erfolg ist ihr bislang allerdings versagt verblieben, weshalb eine Empfehlung sehr zurückhaltend bis gar nicht ausgesprochen werden sollte.

Conclusio

Eine Heilung der Arthrose ist auch am Großzehengrundgelenk nicht möglich – mit eine stadienbezogenen konservativen, chirurgischen oder kombinierten Behandlung von der Einlagenversorgung bis hin zur Versteifung des Gelenkes können aber bei einem Großteil der Patienten gute bzw. sehr gute Ergebnisse erzielt werden.

 

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