Als Zentrum des Funktionssegmentes (nach Junghanns) besteht dieses aus zwei benachbarten Wirbelkörpern samt dazwischen liegender Bandscheibe und den umgebenden Weichteilen wie Bänder, Gelenkskapsel und Muskulatur) steht die Bandscheibe im Mittelpunkt vieler Erkrankungen der Wirbelsäule – deren bekannteste stellt der Diskusprolaps dar. Die Bandscheibe besteht aus einem harten Ring (Annulus fibrosus) und einem weichen Kern (Nucleus pulposus).
Im Falle eines Bandscheibenvorfalls tritt ein Teil des Nucleus pulposus durch den Annulus. Verliert dieser Vorfall den Kontakt zu seiner Bandscheibe, so entspricht dies einem so genannten Bandscheibensequester (sequestrierter Bandscheibenprolaps). Wölbt ein Teil des Nucleus pulposus den Annulus fibrosus stark vor, ohne durchzubrechen, so spricht man von einer Bandscheibenprotrusion („Bulging“).
Klinik
Das klinische Bild richtet sich nach der Höhe des Bandscheibenvorfalles. So ist zum Beispiel für einen Prolaps in der Höhe L4/5 eine Vorfuß- und Großzehenheberparese typisch (muss aber nicht sein). Sensibilitätsstörungen sind häufig dermatombezogen und helfen bei der klinischen Untersuchung, die Höhe abzuschätzen. Nervendehnungstests wie das Lasegue-Zeichen oder der Slump-Test können positiv sein. Eine Schmerz-Schonhaltung mit skoliotischer Fehlhaltung kann sich beim Vorneüberbeugen aufgrund der Nerventlastung bei dieser Bewegung begradigen. Die Seitneigung kann schmerzbedingt vor allem zur Seite des Vorfalls hin eingeschränkt sein. Zehenspitzen- und Fersenstand bzw. Gang können Dysfunktionen wie z.B. Lähmungen aufzeigen. Symptomatisch kann es durch die Schmerzen zu einem Becken-schiefstand kommen.
In Zweifelsfällen kann eine neurophysiologische Untersuchung (EMG, NLG) durchgeführt werden – diese vermögen auch zusätzliche Erkrankungen wie z.B. eine Polyneuropathie oder chronische Nervenschäden aufzudecken. Husten, Niesen oder Pressen auf der Toilette kann schmerzhaft und von einem Bandscheibenvorfall verursacht sein. Bei Vorfällen im Bereich L3/4 und höher kann seitens der Nervendehnungszeichen der „um-gekehrte Lasegue“ positiv sein. Bei dieser Untersuchung liegt der Patient auf dem Bauch und das Knie wird vom Untersucher gebeugt. Im Falle der „Positivität“ beklagt der Patient ab gut 90° Beugung Schmerzen und versucht mit einer Ausgleichsbewegung im Becken diesem Schmerz auszuweichen. Bei einem median liegenden Prolaps werden meist mehrere Nervenwurzeln, mitunter im Duralsack sowie die Dura selbst gereizt. Da-durch können typische Symptome wie Lähmungen von Kennmuskeln, Dysästhesien bzw. -reflexien fehlen oder abwechselnd und nicht klar zuordenbar auftreten.

Lumbaler Bandscheibenvorfall
Die Patienten haben zwar Schmerzen und durchaus auch wechselnde neurologische Symptome, diese passen aber oft nicht in typischer Art zu den entsprechenden Segmenten des Bandscheibenvorfalles. Dadurch kann es passieren, dass diese Patienten als unglaubwürdig hingestellt werden. Auch wenn typische neurologische Symptome fehlen, kann eine Operation nach Versagen der konservativen Therapie sinnvoll sein und somit nötig werden. Aus der oben genannten Beschreibung ergibt sich beim Band-scheibenvorfall als Kardinalsymptom die Ischialgie, also der ausstrahlende Schmerz in das Bein. Der Kreuzschmerz (= Lumbago) ist in erster Linie nicht typisch für den Prolaps und tritt vor allem als Folge einer Degeneration der Bandscheibe und einer damit verbundenen segmentalen Instabilität auf.
Eine Ausnahme bildet hier jener Kreuzschmerz, der als Folge von Schon-haltung und Schutzspannung auftritt. Dieser in der Folge eines Vorfalles auftretende Schmerz sollte therapiert werden und ist einer Behandlung sowohl nach als auch zugleich mit dem Vorfall gut zugänglich. Allerdings gestaltet sich dieses Unterfangen umso schwieriger, je länger der Schmerz besteht. Als wichtig erscheint generell, jene Symptome, welche durch einen Bandscheibenprolaps erzeugt werden, nach Besserung der direkt bandscheibenbedingten Beschwerden einer intensiven Behandlung zuzuführen.
Dies betrifft Symptome wie Muskel-hartspann, Muskelasymmetrien, Iliosakralgelenksprobleme, Gangbildstörung und Ähnliches. Anzumerken ist, dass für die Klinik nicht nur die Größe des Bandscheibenvorfalles, sondern auch die Weite von Spinalkanal und Foramina ausschlaggebend ist. So kann bei anlagebedingter Enge oder bei Vorliegen einer Spondylarthrose auch schon ein kleiner Prolaps starke Beschwerden hervorrufen. Andererseits kann bei weitem Spinalkanal auch ein großer Vorfall mit nur geringer Schmerzhaftigkeit verbunden sein. Diese Umstände sollten unbedingt auch bei der Behandlung berücksichtigt werden.
Bildgebung
Abgesehen von LWS-Röntgen im Stehen, die immer durchgeführt werden sollten (statische Probleme lassen sich hierin genauso erkennen wie Retrolisthese oder Spondylolyse), gilt heute die MRT-Untersuchung als Maß der Dinge. Sie stellt nicht nur Vorfälle dar, sondern vermag auch Aufschluss über die neurogenen Strukturen und vor allem die Bandscheibe selbst zu geben. Zudem können weitere Pathologien wie z.B. eine Osteochondrosis erosiva erkannt werden.
Es wird die gesamte LWS abgebildet – dadurch können auch Erkrankungen der Nachbarsegmente erfasst und in den Behandlungsplan mit einbezogen werden. Nur bei dringlicher Notwendigkeit einer Schnittbildgebung und alleiniger Verfügbarkeit/ Durchführbarkeit einer CT oder im Falle spezieller Fragestellungen ist heute eine Computertomographie noch sinnvoll. Die Vorteile der MRT in Diagnostik und Therapieplanung sind überwältigend und werden nur noch durch die fehlende Strahlenbelastung übertroffen.
Therapie
In erster Linie ist ein konservativer Versuch mit physikalischer Therapie angezeigt. In der Akutphase kann zur Schmerzreduktion eine Würfellagerung angewandt werden – diese darf aber nur von kurzer Dauer sein, da zwar der Nerv entlastet, aber die Wirbelsäule auch entlordosiert wird. Bei Schmerzreduktion empfiehlt es sich daher, ehestmöglich auf eine Knierolle umzusteigen bzw. im Verlauf keine Unterstützung mehr unter das Knie zu legen. Die physikalische Therapie kann durch Bildwandler-(eventuell CT-)gezielte Wurzelblockaden sinnvoll ergänzt werden.
Zusätzlich hat sich die Verwendung einer Lumbalbandage als günstig erwiesen. Medikamentös empfiehlt sich die – vorzugsweise parenterale – Gabe von (nichtsteroidalen) Analgetika. Die Verwendung von Kortison ist umstritten – wird eine Gabe erwogen, sollte diese nicht länger als fünf Tage erfolgen. Myotonolytika sind ebenso umstritten und sollten – wenn überhaupt – nur in der Akutphase gegeben werden. Kontraindiziert sind sie zB. bei „low back pain“. Bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie nach 6 Wochen bzw. bei Zunahme der Beschwerden unter konservativer Behandlung sollte an eine Operation gedacht werden, die bei richtiger Indikation und Durchführung meist besser als ihr Ruf ist.
Als Problem gilt hier eher, dass die Operation den Bandscheibenvorfall und die von ihm verursachten Symptome zwar gut behandeln kann – sprich die neurogenen Strukturen dekomprimiert werden, dass hingegen die Ursache – die kranke Bandscheibe – bestehen bleibt! Dies erscheint umso logischer als ein Bandscheibenprolaps in der Regel erst bei einer vorgeschädigten Bandscheibe auftritt. Wichtig ist dabei zu beachten, dass – je länger unter Schmerzen bei gegebener Indikation mit einer Operation zugewartet wird – es im Rahmen der Schmerzattacken umso öfter zu Entzündungserscheinungen kommt, die Vernarbungen und ausgeprägte Varizen mit sich bringen und eine allenfalls später stattfindende Operation erschweren können.
Operationsindikation
Wann ist nun die so „verrufene“ Operation indiziert? In den Cochrane Reports wird der ideale Zeitpunkt 6 Wochen nach Erstauftreten der Beschwerden angegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt ist laut Literatur eine physikalische Therapie von großem Vorteil. Leider gibt es keine Evidenz dafür, wie diese genau aussehen sollte. Gesichert ist aber, dass eine „Liege- und Schlaftherapie“ nichts bringt, ja sogar eher schädlich ist. Von Vorteil für das spätere Operationsergebnis ist das Vorliegen von vor allem motorischen, weniger sensiblen Störungen sowie eines positiven Lasegue – noch besser, wenn dieser auch an der kontralateralen Seite positiv ist.
Harn-Stuhl-Störungen sollten ehestmöglich operiert werden, wobei die bisherige „Hysterie des unmittelbaren Operierens“ nur mehr bedingt gerechtfertigt ist. Neueste Studien zeigen, dass die Ergebnisse bei Operationen innerhalb der ersten 48 Stunden nach Auftreten der Symptome als vergleichbar anzusehen sind – egal zu welchem Zeitpunkt operiert wurde. Bei Operationen innerhalb der darauffolgenden Tage werden die Ergebnisse in Langzeituntersuchungen auch nur noch geringfügig schlechter. Sicher sollte so schnell wie möglich bei einer Conus-Cauda-Problematik operiert werden, trotzdem müssen die Rahmenparameter dafür stimmen und unnotwendige Risiken wie z.B. Gerinnungsstörungen entsprechend berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang muss auch gesagt werden, dass die Operation nicht die Erwartung wecken darf, dass allenfalls präoperativ vorhandene Lähmungen postoperativ sicher „verschwinden“ werden. Vielmehr ist es so, dass Lähmungen auch nach zweijährigem Bestehen postoperativ geheilt sein können und erst wenige Stunden andauernde Paresen trotz der sofortigen Operation lebenslang bestehen bleiben können.
Operationsmethode
Den „Gold-Standard“ stellt die Microdiscektomie – also die Entfernung des Bandscheibenvorfalles mit Hilfe des Mikroskopes – dar. Hierbei wird ein ca. 3-5 cm langer Hautschnitt durchgeführt. Danach wird die Fascia thoracolumbalis an der Seite des Vorfalles eingeschnitten und die Weichteile werden nach lateral abgeschoben. Nach Setzen eines speziellen Operationstrichters (z.B. Caspar-Trichter) im Sinne eines Selbsthalters wird das Ligmentum flavum eingeschnitten. Je nach Höhe und Bedarf kann im Sinne einer sogenannten Fenestration eine sparsame Laminotomie durchgeführt werden, um z.B. Narben zu lösen oder um zur Bandscheibe zu kommen. Ab L4/5 und darüber ist dies sehr oft notwendig, da hier die kraniale Lamina schon leicht über der Bandscheibe liegt und man sonst an diese nicht herankommt. Nach Abdrängen der neurogenen Strukturen wird der Prolaps entfernt. Danach erfolgen das Aufsuchen der Austrittsstelle des Vorfalles aus der Bandscheibe und die Entfernung gelöster Anteile aus dem Zwischenwirbelraum.
Wichtig ist nun auch das Unterfahren von Nerv und Dura, um einzelne Bandscheibenanteile (z.B. Sequester) zu finden. So mancher früh auftretender Rezidivprolaps ist nichts anderes als ein bei der Erstoperation übersehener Prolapsanteil des Erstvorfalles. Der Autor bevorzugt – nach Kontrolle des Operationssitus auf andere Pathologien (z.B. Foramenstenosen), Blutungen und den freien Verlauf von Nervenwurzeln und Dura – die Applikation einer Goretex-Membran (Preclude Spinal Membrane) dorsal auf die neurogenen Strukturen zur Narbenprophylaxe. Dies hat sich einerseits als effizient erwiesen und hilft andererseits bei Nachoperationen. Es wird dadurch erleichtert, die neurogenen Strukturen zu definieren und frei zu präparieren. Weitere Methoden wie die endoskopische Bandscheibenoperation und andere verschiedene perkutane Nukleotomien stellen zusätzliche Möglichkeiten für die chirurgische Behandlung dar.
Die Bandscheibenoperation mittels Laser ist heute als obsolet anzusehen (siehe Cochrane Reports). Die Chemonukleolyse hat sich wissenschaftlich als wirksam erwiesen, wird aber aufgrund der Nebenwirkungen des Agens nicht mehr angewandt. Per definitionem wird bei der Chemonukleolyse das Enzym Chymopapain in die betroffene Bandscheibe gespritzt. Alternative Methoden wie die Ozon-Einspritzung in die Bandscheibe oder eine Nucleoplasty oder IDET sind einerseits bei einem Bandscheibenprolaps nicht indiziert, andererseits gibt es derzeit keinen wissenschaftlichen Beweis, dass die meisten dieser Methoden auch bei anderen Indikationen etwas bringen. Es wird hier abzuwarten sein, was die Zukunft und neuere Studien noch bringen werden.
OP-Ergebnisse
Die Indikation zur Operation sollte zwar wohlüberlegt sein, übertriebene Ängste sind aber nicht angebracht. In 70-90% aller Operationen darf mit guten und sehr guten Ergebnissen gerechnet werden. Bezüglich des immer wieder vorkommenden Postdiscektomiesyndromes dürfen wir auf eine der zukünftigen Folgen unserer Reihe hinweisen.
Conclusio
Prinzipiell kommt es zu einem Bandscheibenvorfall nur bei Vorschädigung der betreffenden Bandscheibe. In einem hohen Prozentsatz kann ein Prolaps und seine Beschwerden gut mit konservativen Maßnahmen behandelt werden. Führt dies zu keiner Verbesserung oder gar einer Verschlechterung der Situation, so empfiehlt sich die operative Intervention mittels Microdiscektomie. Der postoperativen Rehabilitation und Ursachenbekämpfung vor allem auch im ambulanten Bereich kommt hier ein hoher Stellenwert zu.