Semirigide Fixation nach Fusionsoperationen

Von Gerd M. Ivanic, Bernd Harter, M. Passl, S. Ziegler

Nach wie vor stellt die Fusion des entsprechenden Segmentes bei verschiedenen Pathologien wie z.B. der isthmischen Spondylolisthese den Goldstandard dar. Eine der Hauptängste des des Wirbelsäulenchirurgen liegt jedoch in der Gefahr der beschleunigten Degeneration vor allem kranial angrenzenden Segmentes. Die semirigide Fixation zum Schutz vor einer Anschlusspathologie nach Fusionsoperation an der Wirbelsäule stellt eine geeignete Maßnahme dagegen dar.

Das benachbarte kraniale Segment übernimmt die Funktion des versteiften Anteiles der Wirbelsäule, was zu einer Überlastung führt. Diese Gefahr erhöht sich, wenn schon bei der präoperativen Planung über dem zu fusionierenden Segment fortgeschrittene Pathologien zu erkennen sind. Gerade bei der isthmischen Spondy­lolisthese kann es im Krankheitsverlauf im Segment über der Spondy­lolisthese zu einer Retrolisthese mit Diskopathie und entsprechenden Segmentpathologien mit den zu erwar­tenden Problemen kommen.

Röntgen Adjacent Syndrome li Anteflexion re Retroflexion

Adjacent Syndrome; li Anteflexion; re Retroflexion

Um dieser Nachbarschaftsproblematik (Sy­nony­me: Adjacent-Sy­ndrome, Top­ping off, Postfusionssyndrom) von chir­urgischer Seite vorzubeugen, gibt es verschiedene Operationsimplantate zur Auswahl. Diese versuchen z.B. durch Seile, Bänder oder verschiedene Feder­konstruktionen das der Fusion an­grenzende Segment zu schützen. Alle di­ese Methoden versagen aber, wenn bei der Fusion nicht versucht wird ein dem Patienten entsprechendes phy­siolo­gisches Alignment der Wirbelsäule zu erreichen (z.B. das entsprechende Maß an Lordose in der LWS). Der vorliegende Artikel beschreibt die ersten Erfahrungen der Autoren mit dem „Scient’x Isobar TTL®“- Instrumentarium.

Röntgen Fusion L3-L5 semirigid L2-3

Fusion L3-L5; semirigid L2-3

Am Department für Erkrankungen der Wirbelsäule und Wirbelsäulenchirurgie, Fußchirurgie am LKH Stolzalpe wird seit 2003 das „Scient’x-Isobar TTL®“-Stabins­trumentarium verwendet. Dieses Instrumentarium besteht aus Poly­axialschrau­ben und einem Stab, der an einem Ende ein Federelement eingebaut hat. Es kön­nen nun Fusionen über den Stab und die Schrauben von dorsal durchgeführt werden. Im darüber liegenden Segment oder auch bei Ausnahmen im darunterliegen­ den kann nun über ein weiteres Pedikel­schraubenpaar ein Federelement einge­bracht werden, welches eine Bewegung von 4° in der Flexion/ Extension und 0,8mm bei der Kompression/Traktion zulässt.

Ergebnisse

Röntgen Z. n. 2 Voroperationen (L3-S1) zuletzt 2004 Fusion L 2–S 1 semirigid L 1–L 2

Z. n. 2 Voroperationen (L3-S1), zuletzt 2004 Fusion L 2–S 1; semirigid L 1–L 2

Zwischen 2003 und 2005 wurden 42 Pa­tienten (27 Frauen, 15 Männer, zwischen 32 und 79 Jahre alt) am LKH Stolzalpe mit diesem Sy­stem operiert. Es wurden insgesamt 68 Segmente fusioniert und zusätzlich 43 semirigid versorgt. 19-mal wurde 1 Segment fusioniert, 16-mal 2 Segmente, 5-mal 3 Segmente, 2-mal 4 Segmente. 41 Patienten erhielten im darüber liegenden Segment eine semirigide Fixation, einer dieser Pa­tienten auch 2 Segmente unter dem fusi­onierten. 1 Patient erhielt eine kaudale semirigide Fixation nach Aufrichtung einer Bechterew-Ky­phose, um die Rest­beweglichkeit der LWS zu schützen. Die BWS war vollkommen eingesteift.

  • 1 Wundheilungsstörung, die operativ re­vidiert wurde und folgenlos ausheilte, 1 ausgeprägtes postoperatives Hämatom, welches zu einer passageren Conus-Cauda-Sy­mptomatik geführt hat.
  • Eine Nachuntersuchung der operierten Patienten (39 von 42.) fand im Jänner 2006 statt. Das Durchschnitts-Follow-up betrug 65 Wochen (16–135 Wochen). Der ODI (Oswestry­ Disability­ Index) verbes­serte sich von durchschnittlich 28 auf 16, die VAS von 8,4 auf 4,6.
  • Die radiologische Untersuchung mit Funktionsaufnahmen zeigte eine durch­schnittliche Beweglichkeit der semirigid fixierten Segmente von 2°. Die direkt über den semirigid versorgten Segmenten liegenden Segmente hatten ein durch­schnittliches Bewegungsausmaß von 8°.
  • Prinzipiell ist das vorgestellte Instrumen­ tarium ein für den mit poly­axialen Pedi­kelschrauben arbeitenden Wirbelsäulen­chirurgen relativ einfach zu handhaben. Wichtig ist beim Setzen der Schrauben auf genügend Abstand für das Federele­ment zu achten, da man sonst in diesem Segment eine Überdistraktion bis hin zur Ky­phosierung desselben als Komplika­tion zu beklagen hat. Es ist daher zwischen L5 und S1 schwierig einzubauen oder eventuell auch unmöglich, dahier­ für das Federelement zu groß ist – hier wird dies zwar seltener verwendet wer­den, aber auch bei klein gewachsenen Menschen oder engen Pedikelabständen kann es in anderen Höhen zu einem großen Problem werden. Der Stab selbst kann an seinem langen Anteil mittels Biegezange gebogen und entsprechend dem Wirbelsäulenalignment bearbeitet und angepasst werden. Die Nachuntersu­chungsergebnisse sind noch relativ kurz, es musste aber bis dato kein Patient im­plantatbezogen oder aufgrund eines semirigid fixierten Segmentes nachoperiert werden. Auf den Funktionsaufnahmen kann eine Beweglichkeit im semirigidfi­xierten Segment von durchschnittlich 2° gemessen werden. Ob diese Restbeweg­lichkeit und das Verhindern einer kom­pensatorischen Hy­permobilität auf Dauer ausreichen wird, um auch langfristig gute Ergebnisse zu erzielen, werden die Lang­zeitergebnisse erst zeigen müssen.

Für jeden Wirbelsäulenchirurgen, der sich mit Fusionsoperationen beschäftigt, ist die Nachbarschaftspathologie bei Fusionsoperationen ein erhebliches Pro­blem. Verschiedene Produkte haben ver­sucht und versuchen, diese Probleme zu minimieren. Das „Scient’x Isobar TTL®“-Instrumentarium als eines davon stellt zwar noch nicht den Stein der Weisen dar, erscheint aber zum heutigen Zeit­punkt ein vernünftiger und verfolgungs­würdiger Ansatz zu sein. Aus der Sicht der Autoren mit deren bisherigen Erfahrungen steht damit derzeit ein den Umständen entsprechend gut funktionierendes Instrumentarium zur Verfügung.

 

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    Kategorie Wirbelsäule