Chirurgische Therapie des Mb. Bechterew
Leitsymptome der Spondylarthritis sind Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Bei Befall der BWS, der Wirbel-Rippengelenke, Sternoclaviculargelenke und bei Perichondritis der Rippenknorpel kommt es zu einer progredienten restriktiven Störung der Lungenfunktion. Schmerzhafte Enthesiopathien an den unteren Extremitäten führen zu Hink- und Ausweichbewegungen. Hinzu kommen – bei Forschreiten der Erkrankung – sekundäre muskuläre Dysbalancen des Schulter- und Beckengürtels. Bei Arthritiden peripherer Gelenke (meist asymmetrische Oligoarthritis der unteren Extremitäten) entstehen letztlich ausgeprägte Gangstörungen, Sekundärarthrosen und evtl. Kontrakturen (Hüften, Knie).
Die Physikalische Medizin und rehabilitative Maßnahmen sind in allen Stadien dieser chronisch progredienten Erkrankung von entscheidender Bedeutung, weil sie Einfluss auf die Pathogenese und den Langzeitverlauf nehmen. Namentlich die Atem- und Bewegungsfunktionen können optimiert werden, sowie die aktive Krankheitsbewältigung durch die Betroffenen. Damit wird die Lebensqualität wirksam verbessert. Da der individuelle Krankheitsverlauf in weiten Grenzen variiert, ist vor Verordnung bzw. Durchführung einer

Ziele der Physio-Therapie bei Spondylarthritis
Physikalischen Therapie stets eine Aktualitätsdiagnose zu stellen und ein detaillierter Funktionsstatus zu erheben. Auch Beeinträchtigungen der Alltags-Aktivitäten und Störungen der Partizipation sind zu erheben und zu dokumentieren (Funktions-Scores). Nur so können – zusammen mit dem Patienten – angemessene individuelle Therapieziele definiert und gezielte Maßnahmen der Physikalischen Therapie durchgeführt werden. Entscheidend ist es, die Betroffenen zu aktivieren und zu regelmäßigem Üben / Trainieren anzuleiten, um der ständig drohenden Einsteifung in biomechanisch ungünstiger Fehlform entgegen zu wirken. Die passiven physikalischen Anwendungen sind aber vorbereitend und begleitend erforderlich zur Schmerzdämpfung und zur Unterstützung der Mobilisation.
Schmerztherapie mit passiven physikalischen Anwendungen
Die Physikalische Schmerztherapie darf – gerade bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen – niemals als Konkurrenz zur medikamentösen antiphlogistisch – analgetischen Therapie gesehen werden. Sie stellt vielmehr eine sehr wirkungsvolle Erweiterung des schmerztherapeutischen Repertoires dar. Namentlich
zur Entspannung und zur Vorbereitung der unverzichtbaren aktiven Bewegungstherapie spielt sie eine wichtige Rolle. Viele der hier vorgestellten Therapiemittel lassen sich ohne weiteres in der Allgemeinpraxis mit relativ geringem Aufwand anwenden:
Kryotherapie
Kryotherapie mit Eisbeuteln, Kryogel-Kissen oder Kaltluft ist im akuten Schub indiziert, z.B. bei akuter Sakroileitis, peripheren Arthritiden oder Enthesitis/ Bursitis. Akut-entzündliche Schmerzen an der Wirbelsäule können oft besser mit kurzdauernden kalten Wickeln angegangen werden. Auch von Erfolgen einer Serienbehandlung mit der Ganzkörper-Kryotherapie in Kältkammern (Temperatur bei ca. minus 130° für einige Minuten täglich) wird berichtet.
Thermotherapie
Im chronischen Stadium überwiegen oft die (sekundären) biomechanisch und myofaszial bedingten Schmerzen und Beschwerden durch die Sekundärarthrosen. Hier liegt das breite Einsatzgebiet der Wärmetherapie. Welche Anwendungen verordnet werden sollen, hängt u.a. von topographischen Gesichtspunkten ab: Lokalisierte Prozesse werden mit Paraffinpackungen oder feucht-heißen Kompressen/ Wickeln behandelt. Meist geht man aber „großflächiger” vor: mit kurzdauernden heißen Blitzgüssen (Rücken + Beine) und Peloidpackungen (Moor, Fango, Schlamm, Parafango). Daheim können sich die Patienten auch mit einfachen Infrarot-Strahlern selbst behandeln.
Elektrotherapie und Ultraschall-Therapie
Analgetisch wirksame Stromformen (Galvanisation, Niederfrequenz- und Interferenzstromtherapie) können zur differenzierten Behandlung bestimmter schmerzhafter Gewebszustände eingesetzt werden. Die Ultraschall-Therapie ermöglicht eine lokal gezielte und fein dosierbare Thermotherapie an schmerzhaften Periostpunkten, Insertionstendopathien und Myogelosen. Die Hochfrequenz-Diathermie mit Mikro-, Dezimeter-, oder Kurzwellen bewirkt eine Tiefenerwärmung muskuloskelettaler Strukturen und verbessert deren mechanische und physikochemische Eigenschaften (Elastizität, Plastizität, lokaler Stoffwechsel). Dies ist sinnvoll zur Vorbereitung von mobilisierenden Behandlungen.
Balneotherapie – Bäder
Zur Erzielung systemischer thermoregulatorischer und evtl. immunmodulierender Effekte können – bei ausreichender kardiovaskulärer Belastbarkeit – kurmäßige Reizserien mit „großen” balneotherapeutischen Anwendungen gegeben werden. Sie wirken tiefgreifender und sind noch besser analgesierend sowie entspannend – besonders, wenn die obligate Nachruhe von mindestens 20 min eingehalten wird: Überwärmungsbäder, Schwefel-, Radon- oder Moorbäder, galvanische Bäder, und Sauna. Auch Infrarot-Kabinen erfreuen sich in letzter Zeit zu Recht großer Beliebtheit.
Heilstollen (z.B. in Bad Gastein oder Bad Kreuznach)
Bei diesem komplexen Heilverfahren werden verschiedene Aktivtherapien und Patientenschulungen mit Aufenthalten im Heilstollen kombiniert. Letztere vereinen eine milde Ganzkörper – Hyperthermie mit der Radontherapie (Ra 444 als alpha-Kurzzeitstrahler). In einigen experimentellen und klinischen Studien konnten immunmodulierende bzw. entzündungshemmende Effekte bei verschiedenen rheumatischen Erkrankungen beobachtet werden – und zwar mit monatelang anhaltenden signifikanten Verbesserungen.
Manuelle Therapie und Heilmassagen
Vorbereitend und begleitend zur Bewegungstherapie werden von Ärzten und Physiotherapeuten vielfältige Techniken der Manuellen Therapie angewandt (Weichteiltechniken, Mobilisationsgriffe an der Wirbelsäule, am Thorax und an den großen Gelenken). Bechterew-Patienten entwickeln in allen Stadien ihrer Erkrankung ausgedehnte myofasziale Pathologien bzw. Schmerzen (durch Fehlstatik, Überdehnungen, reflektorische Ketten-Tendomyosen, Triggerpunkte, Myogelosen). Aus der Vielzahl von medizinischen Massagearten ist vom verordnenden Arzt stets eine stadiengerechte und befundorientierte Auswahl zu treffen. Qualifiziert zur Durchführung sind in erster Linie Medizinische Masseure bzw. Heilmasseure. Abgeleitet von der Technik der Klassischen Massage sind hier vor allem die lokal gezielte Bindegewebsmassage, Unterwasser-Druckstrahlmassagen und die Manipulativmassage nach TERRIER indiziert.
Bei akuten WS-Schmerzen darf aber nicht lokal behandelt werden, sondern evtl. segmental (Segmentmassage) oder über Reflexzonen (Akupunkt-Massage, Fußreflexzonen-Therapie oder Bindegewebsmassage mit reflextherapeutischem Aufbau). Bei akuten peripheren Arthritiden und Entzündungsschüben an der oberen Wirbelsäule sind neben der Kryotherapie auch Manuelle Lymphdrainagen durch ihre sedierenden und entstauenden Effekte oft erstaunlich wirksam.
Bewegungstherapie
Von allen Therapieoptionen ist bei den entzündlichen Wirbelsäulen-Erkrankungen die aktive Bewegungstherapie das wichtigste und wirksamste Mittel zur Verhinderung der gefürchteten fixierten Fehlformen am Achsenskelett und der Kontrakturen von großen Gelenken. Zu den allgemeinen Zielen der aktiven Therapie vgl. Tab. 1. Die Bewegungstherapie wird am besten durch qualifizierte Physiotherapeuten durchgeführt. Diese erheben erst einen differenzierten physiotherapeutischen Befund und bauen dann die Heilgymnastik-Einzelbehandlung individuell methodisch auf. Wesentliche Elemente der Bewegungstherapie sind in Tab. 2 angeführt.

Elemente der Bewegungstherapie
Geübt wird im Liegen, Sitzen, Vierfüßlerstand, Stehen und Gehen. Dabei werden alle Wirbelsäulen-Abschnitte und die proximalen Gelenke in allen Bewegungsebenen und in Form von komplexen Bewegungen systematisch mobilisiert.
Wichtige Hilfsmittel dazu sind die Sprossenwand, der Sitzball und das Schlingengerät sowie elastische Therapie-Bänder für dosierte Widerstandsübungen. In der Medizinischen Trainingstherapie kann die allgemeine aerobe Ausdauer verbessert und die posturale Muskulatur an Krafttrainings-Geräten gezielt und dosiert aufgebaut werden. Einen besonderen Wert besitzt in spezialisierten Einrichtungen die Gruppen – Bewegungstherapie im (Thermal-)Wasser, und das Heil-schwimmen, da hier gleich mehrere günstige Wirkfaktoren genutzt werden können: Wärme, Auftrieb, Entlastung, Entspannung, Strömungswiderstand, Bewegungsfreude, positive motivationale und gruppendynamische Effekte.
Rehabilitation und Langzeitbetreuung
Die Rehabilitation von Patienten mit Spondylarthritiden baut auf den vorgenannten Therapiemethoden auf. Vor der Planung rehabilitativer Maßnahmen werden die Körperstrukturen und – Funktionen, die Aktivitäten und die Partizipation in der Lebenswelt jedes Rehabilitanten umfassend analysiert. Eine wichtige Rolle spielen spezielle Patienten-Schulungen. Hier erlernen die Betroffenen unter anderem ein adäquates, rücken- und gelenkschonendes Verhalten im Alltag/ Beruf und werden zu angemessenem Gesundheitssport hingeführt. Weiters erhalten sie psychologische Unterstützung zur Krankheits- und Schmerz-Bewältigung in Form von Einzel- und Gruppeninterventionen. Idealerweise beherrscht jeder Patient ein kompaktes Heim-Übungsprogramm, welches er langfristig selbstverantwortlich durchführt. Günstig ist die Integration in eine ambulante Selbsthilfe-Gruppe. Hier wird das Wissen um die Erkrankung und Bewältigungsmöglichkeiten vertieft und die Motivation für regelmäßiges aktives Üben gestärkt.
Besondere Aufgaben des behandelnden Arztes sind, dieses weite Spektrum an Interventionsmöglichkeiten zu kennen, zu nutzen und die betroffenen Patienten langfristig durch das Auf und Ab Ihrer chronischen Erkrankung unterstützend zu begleiten. Der Arzt fungiert hier auch als Case-Manager sowie als Koordinator eines multiprofessionellen Behandler-Teams. Der Patient darf weder über- noch unterfordert werden. Daher ist stets die aktuelle immunologisch-entzündliche Krankheitsaktivität zu beachten. Dies gilt besonders für akute Schubsituationen (u. U. mit Allgemeinmanifestationen). Hier sind die Medikation und die Physikalische Therapie so abzustimmen, dass möglichst rasch mit einer Reaktivierung des Patienten begonnen werden kann.
CHIRURGISCHE THERAPIE DES MB. BECHTEREW
Im Rahmen des Morbus Bechterew liegt eine 100 %ige Invalidität vor, wenn der Patient nicht mehr über die Horizontale blicken kann – aus diesem Umstand heraus und bei infauster konservativer Therapie ist die chirurgische Intervention indiziert. Ziel der Operation ist es, dem Patienten den Blick über die Horizontale wieder zu ermöglichen.
Operationstechnik
Es gibt hier die Möglichkeit des ventralen, dorsalen und kombinierten Vorgehens. In allen Fällen werden die verknöcherten Strukturen so bearbeitet bzw. Anteile der Wirbelsäule so knöchern durchtrennt, dass diese dadurch aufgerichtet und damit der Blick über die Horizontale wieder möglich wird.
Probleme
Die starke Verknöcherung am Nativröntgen täuscht darüber hinweg, dass es sich in Wirklichkeit um einen stark osteoporotischen Knochen handelt (dies ist auch der Grund dafür, warum jede HWS-Verletzung beim Bechterew-Erkrankten primär wie ein Knochenbruch zu behandeln ist!) Das Problem ist nun, dass das Halten der korrigierten Wirbelsäule mit Implantaten aufgrund der schlechten Knochenqualität sehr schwierig ist und dass das in die Operationsplanung unbedingt mit einzubeziehen ist.
Ergebnisse
Trotz der hohen Komplikationsrate ist bei guter Indikation für den Patienten ein den Umständen entsprechend gutes Ergebnis möglich. Ziel dieser Operation ist die Verbesserung der Lebensqualität, was durchaus erreichbar ist. Wichtig ist es, den Patienten dahingehend aufzuklären, dass es sich hier um eine schwerwiegende Operation mit auch entsprechenden Komplikationsmöglichkeiten handelt und dass es auch einer langen postoperativen Nachbetreuung bedürfen kann.
Conclusio
Bezüglich der Spondylarthropathien darf nach internistischer wie auch konservativer und operativer Sichtweise zum Abschluss gesagt werden, dass es sich hier zwar um sehr schwerwiegende Erkrankungen handelt, dass aber ein interdisziplinärer Zugang zum Thema mit einer entsprechenden multimodalen Therapie eine suffiziente Behandlung möglich macht. Ziel sollte eine Verbesserung der Lebensqualität sein, was unter den vorgenannten Voraussetzungen in Teamarbeit mit dem Patienten und den entsprechenden Disziplinen auch möglich ist.