Nach einer Darstellung von Grundlagen zur Skoliose und Möglichkeiten der physikalischen Therapie sollen im Folgenden Korsettbehandlung und operative Therapieoptionen besprochen werden.
Dabei kommt gerade einer konsequenten Korsettbehandlung bei der Skoliose ein enormer Stellenwert zu – Ziel ist dabei möglichst ein Halten der Ausgangssituation.
Korsettbehandlung
Warum ein Korsett?

Foto links im Korsett von hinten – Röntgen rechts im Korsett von vorne
Die Progression der Skoliose kann nur durch ein Korsett wirklich verlangsamt werden. Es gibt derzeit keine andere wissenschaftlich anerkannte Lehrmeinung, die ein Gegenteil behaupten könnte. Daher wurde dies im Arbeitskreis Skoliose der DGOOC bzw. ÖGO als Goldstandard definiert. Eine begleitende Physiotherapie ist jedoch von enormer Bedeutung!
Wann ein Korsett?
1.) Wenn bei der Erstdiagnose ein Cobbwinkel von 20° oder mehr gemessen wird. Ausnahmen sind hier sehr junge Patienten, bei denen man ein starkes Wachstum und eine starke Progredienz erwarten kann, z.B. wenn hier schon eine starke Rotation zu erkennen ist.
2.) Wenn eine Progression von 5° und mehr innerhalb von 6 Monaten stattfindet. Dies könnte z.B. auch bei einer Erstdiagnose von einem 10°-igen Cobbwinkel der Fall sein.
3.) Wenn ein Skelettwachstum von mehr als 1 Jahr zu erwarten ist.
4.) Zeitgewinn: es gibt Ausnahmesituationen, in denen man noch nicht operieren will, obwohl die Operation schon notwendig wäre (z.B. bei sehr unreifem Knochenskelett).
5.) Auch psychologische Gründe können für eine Korsettversorgung sprechen, z.B. wenn eine Operationsindikation gegeben ist, aber der Patient oder meistens die Familie noch dagegen sind. Man kann so ein weiteres Fortschreiten zu vermeiden versuchen und die Operation dem Patienten und den Angehörigen näher bringen. Die Mitarbeit und das Verstehen um die Erkrankung kann so in vielen Fällen verbessert werden.
Strategie der Korsettbehandlung

links ohne Korsett – rechts im Korsett
1.) Die aktive Korrektur
2.) Die dreidimensionale Korrektur
3.) Das Vermeiden eines Flachrücken
4.) Die Wirbelsäule ins Lot bringen bzw. in diesem halten.
a) Aktiv
b) Druckpelotten an der Konvexität
c) Platz zum Atmen an der Konkavität. Es sollte förmlich in diesen Platz hineingeatmet werden, um damit die aktive Korrektur bewerkstelligen zu können. (Daher ist dringlich eine Einschulung unter Mithilfe von Physiotherapeuten zu empfehlen).
Prädiktive Faktoren in der Behandlung
Positiv: Kommt es unter der Therapie gleich zu einer Korrektur der Skoliose, so ist dies als ein gutes Zeichen im Langzeitverlauf zu werten. Eine erzielte Erstkorrektur in den ersten 3 Monaten von über 30 – 40 % ist prognostisch günstig. Eine gute Flexibilität der Kurve und eine nur geringe Rotation stellen ein weiteres gutes Zeichen dar.
Negativ: Kommt es zu einer Verschlechterung unter Therapie, so ist dies als sehr schlechtes Zeichen für den weiteren Verlauf zu werten.

Gipsmodell mit Shaping für die aktive Korrektur im Cheneau Korsett
Korsettproduktion
Ein Korsett wird nach einem Gipsmodell des Patienten gefertigt. Fertigkorsette besitzen keinen Stellenwert. Neu am Markt und zunehmend an Beutung gewinnen Korsette, die in CAD-CAM Technik – also mit Computerhilfe – gefertigt werden. Die ersten Erfolge sind vielversprechend – die Zukunft und ihre Langzeitergebnisse werden über die weitere Verbreitung und den Stellenwert entscheiden.
Tragedauer
Es sollten die verordneten Korsette 23 Stunden am Tag getragen werden. Dies bedeutet, dass sie auch unbedingt in der Nacht zu verwenden sind. Eine Physiotherapie ist elementar und sollte unbedingt begleitend zur Korsetttherapie durchgeführt werden. Entsprechend der Erfahrung des Behandlers und der Mitarbeit des Patienten bzw. seiner Angehörigen kann für sportliche Aktivitäten, welche für eine Skoliose bzw. die Wirbelsäule gut sind, das Korsett durchaus auch längere Zeit abgenommen werden. Vor allem im Sommer kann dies für Schwimmübungen bei heißem Wetter sinnvoll sein. Generell sollte die Tragedauer bis zum Wachstumsende bzw. kurz darüber anhalten.
Resultate
Es gibt unzählige Literaturstellen zu diesem Thema. Bei deren Begutachtung fällt auf, dass der Unterschied im Ausgangswinkel betrachtet wird – es ist ein Unterschied, ob eine Behandlung im Durchschnitt bei 10° oder 40° begonnen wird. Endziel der Korsetttherapie der Skoliose ist primär das Halten der Ausgangssituation. Eine größere Nachuntersuchung – durchgeführt von Ulf Nachemson – zeigte in einer prospektiven Studie bei der Behandlung mit Korsett, dass nur 17 von 111 Patienten eine Erhöhung des Cobbwinkels aufwiesen – ohne Korsett jedoch 58 von 129 Patienten.
Operation
Wann?
Verschiedene Parameter sollen helfen, den richtigen Zeitpunkt und die richtige Methode für die Operation zu finden. Beispiele: Bei 50° nach Cobb bei der BWS bzw. 40° nach Cobb bei der LWS beginnt der Wirbelsäulenchirurg die Indikation zur Operation zu stellen. Nach unten im Sinne von vielleicht nur 40° – 45° Skoliose könnte die Grenze gehen, wenn z.B. die Gefahr einer starken Progredienz gegeben ist. Im Gegenteil dazu wären 55° bei einer stationär gleich bleibenden Skoliose bei einer 25-jährigen Patientin zu sehen, wenn diese noch dazu schön im Lot stünde.
Warum?
Hauptziel der Operation ist es, die Progredienz zu stoppen. Als wichtig erscheint bei der Operation, die Wirbelsäule möglichst ins Lot zu stellen (gilt sowohl für die Frontal- wie auch die Sagittalebene).
Wie?
Die Operationsmethode richtet sich in erster Linie nach dem Ausmaß der Skoliose und deren Lokalisation an der Wirbelsäule. Bei z.B. sehr jungen Patienten besteht bei rein dorsaler Operation die Gefahr, dass sich im Laufe des weiteren Wachstums die Wirbelsäule in ihren ventralen Anteilen weiter skoliotisch verändert (Crankshaft Phänomen). Bei z.B. sehr stark ausgeprägten Skoliosen kann es notwendig sein, zuerst von ventral die Bandscheiben auszuräumen und eventuell nach ventraler Instrumentierung auch noch von dorsal zu operieren. Diese Operation kann z.B. bei einer Grunderkrankung wie der Muskeldystrophie Duchenne kontraindiziert sein, da die Gefahr besteht, dass der Patient bei ventralem Zugang nicht mehr zur Spontanatmung zurückkehrt.

11 Jahre nach Korsettabschulung – GWS schön im Lot, die Ausgangswerte
konnten gehalten werden
Es gibt daher als Operationsmöglichkeiten ein rein ventrales, dorsales oder kombiniert ventro-dorsales Vorgehen. Beim ventralen Zugang wiederum gibt es je nach Lokalisation der Skoliose die Möglichkeit des extraperitonealen, transthorakalen oder auch des kombinierten Zweihöhleneingriffs. Beim transthorakalen Eingriff kann es notwendig werden, eine Rippe zu resezieren, was den Vorteil hat, dass hierbei gleichzeitig autologer Knochen für die Spondylodese gewonnen wird. In allen Fällen wird hier eine Thoraxsaugdrainage notwendig. Sollte kein Eigenknochen (z.B. aus dem Beckenkamm) zur Verfügung stehen oder will man diese Zusatzoperation vermeiden, so können Knochenersatzmaterialien verwendet werden.
Zusammenfassung
Es darf gesagt werden, dass bei entsprechend frühzeitig eingeschlagener Therapie mit guten Ergebnissen gerechnet werden kann. Wichtig ist die Aufklärung des Patienten und vor allem seiner Angehörigen. Auf die Psyche dieser Personen ist unbedingt Wert zu legen, da nur bei entsprechender Compliance mit guten Ergebnissen zu rechnen ist. Gerade weil wir es mit jungen Menschen zu tun haben, müssen wir auf gute Langzeitergebnisse achten, um diesen Kindern, die noch ihr ganzes Leben vor sich haben, ein lebenswertes Leben zu ermöglichen.